Herz plus Verstand - Kind plus Erwachsener

Viele Menschen laufen herum mit dem Herzen eines Erwachsenen und dem Verstand eines Kindes. Sie haben gelernt, ja beigebracht bekommen, dass die Welt ein kalter Fleck ist. Es gibt zu wenig von allem, und alle wollen viel zu viel. Wie Fische in einem kleiner werdenden Teich schnappen alle nach dem letzten bisschen externer Befriedigung, wie kurz vor dem Tod durch Sinnes-Vertrocknung. Dem Buddha wird eine Äußerung zugeschrieben, die das Ausmaß bildlich greifbar macht, denn "selbst wenn es goldene Münzen vom Himmel regnen würde, es wäre nicht genug um die Gier der Menschen zu befriedigen"... aber woher kommt diese Gier? Woher kommt diese Sehn-Sucht, diese Sucht nach dem Ersehnten - nach dem ewig unbefriedigten?


Das Herz - vom Kind zum Erwachsenen

Die meisten Menschen tragen in ihrer Brust, häufig auch schon seit jungen Jahren, das Herz eines Erwachsenen. Das junge, verträumte, idealistische, welten-rettende und alles-liebende Herz wird immer früher zerbrochen, zermürbt und an der Real-ität ent-täuscht. Alles ist deutlich schlimmer, als man es wahrhaben will, und nicht zuletzt für hochsensible und empathische Menschen ist es ein Trauerspiel sich mit der Schmerz der Welt und seiner Mitwesen zu verbinden. Der Buddhistische Wunsch nach dem wahrhaftigen Glück und Frieden für alle Lebewesen (Metta) ist nicht immer einfach, und wenn er sich mit Mit-Leid vermischt kann er vor allem gut- und barmherzige Menschen verbittern. Ein nicht-erfüllter Lebenswunsch nach Weltfrieden kann leicht zu lebenslanger Verzweiflung führen... also wird das Herz heruntergefahren, der Ofen wird abgedreht: es wird kalt im Brustkorb. Durch das Übermaß an negativen Gefühlen und der Unfähigkeit damit umzugehen, wird das einzig sinnvolle getan: Leben auf Sparflamme, bitte. Ein intensives Leben, mit intensiver Freude und intensiver Trauer... so emotional traut sich heute fast niemand mehr zu sein. Was sollen denn sonst die Leute denken?

Der Verstand - vom Erwachsenen zum Kind

Und Denken ist das Stichwort, wo jeder schlagartig so tut als wäre er erwachsener, als er es wirklich ist. Im Gespräch mit Freunden und Anvertrauten habe ich immer häufiger festgestellt, dass "Erwachsen sein" (also aus etwas er-wachsen zu sein) viel damit zu tun, für was man bereit ist Verantwortung zu bemerken und zu übernehmen. Tatsächlich hat jeder einzelne Mensch für alles absolute Verantwortung was seiner eigenen Willkür unterliegt. Je nach Willenskraft, Informationsgrad und spiritueller Interpretation gibt es hier jedoch ein ganzes Spektrum an Möglichkeiten:

  • Keine Verantwortung für seine eigene Taten übernehmen á la "Ich bin nicht Schuld, das machen doch alle so!" (Normalfall heutzutage)
  • Verantwortung für seine eigenen Taten übernehmen (inklusive aller notwendigen Ursachen und Folgen des eigenen Tuns)
  • Verantwortung für seine eigenen Gefühle übernehmen (äußere Ein-drücke sind hierbei stets Aus-löser, und nie Ur-sache)
  • Verantwortung für seine eigenen Gedanken übernehmen (und fehlleitende Gedanken unterbinden und zähmen)

So viel vorerst zum "gesunden Erwachsensein". Krankhaft wird es in meinen Augen, und da fasse ich mir selber absolut an die Nase, wenn man anfängt die Verantwortung für den Willkürbereich anderer als persönliche Pflichterfüllung zu übernehmen, ja fast schon an sich zu reißen.

  • Verantwortung für die Taten anderer übernehmen ("Das kann der doch nicht machen!")
  • Verantwortung für die Gefühle anderer übernehmen ("Das ist doch jetzt kein Grund so rumzuheulen!")
  • Verantwortung für die Gedanken anderer übernehmen ("Ich lasse nicht zu, dass er/sie schlecht über mich denkt...also zeige ich nur eine bestimmte Seite von mir")

Solche Verantwortlichkeiten sollten höchstens als Geschenk angeboten, und im bewussten gegenseitigen Einverständnis aller Beteiligten übernommen werden.

Sowohl durch meine Arbeit als Energieberater für nachhaltige Stromproduktion, als auch durch meine Arbeit als Ernährungsberater begegne ich tagtäglich Menschen, die vor ihrer eigenen Verantwortung davonlaufen. Die so tun, als träfen sie keine Entscheidung, wenn sie sich entscheiden, sich lenken und steuern zu lassen, getreu nach dem Motto "ich bin zufrieden, also warum sollte ich was ändern?". Nun... leider ist es so, dass sich ständig alles ändert. Man muss nicht grade Buddhist zu sein, um zu realisieren, dass es in unserer Welt keine absolute Permanenz gibt. Alles ist, wie es ist, weil alle machen, was sie immer machen. Die Aussage "ich lass alles so, wie es ist", ist also nur eine Verkleidung für "ich mache so weiter, wie bisher" - es ist ein durch Entscheidungen eingeleiteter, (meistens eher un-)bewusster Prozess sich in Zukunft so zu verhalten, wie man sich in der Vergangenheit verhalten hat.

Warum ich diese Einstellung als kindisch erachte, lässt sich leicht an Kindern, Süßigkeiten und Zahnärzten erklären. Kinder lieben Süßigkeiten, was absolut verständlich ist, weil Kohlenhydrate die einfachste Nahrungsquelle für den homo sapiens sind. Mit ähnlicher Inbrunst, mit der Kinder nun Süßigkeiten lieben, hassen sie Zahnärzte... und jetzt trennt sich die Spreu vom Weizen, bzw. die Menschen mit erwachsenem Verstand von denen mit kindlichem Verstand:
Festzustellen, dass man den Besuch von Zahnärzten mehr hasst, als man den Geschmack von Süßigkeiten liebt, ermöglicht dem ein oder anderen Kind einen bewussten Verzicht auf Süßigkeiten, um vor den Folgeschäden der eigenen Entscheidung verschont zu bleiben. Und? Sind wir alle so erwachsen?

Bei weitem nicht.

Es ist tragi-komisch, wieviele Menschen einen "Atomkraft, nein Danke!" Aufkleber auf Ihrem Auto kleben haben, aber gleichzeitig Unternehmen wie Yello Strom (freiwilliger Atomkraft-Anteil von 43,7 %) oder RheinEnergie (12,5 % Atomkraft) mit monatlichen Abschlägen füttern. Es braucht keine karmische Klar-Sicht, um einzusehen, dass hier eine (un-)bewusste Entscheidung einem bewussten Statement widerspricht. Auf die Frage, ob sie gerne Atom- und Kohlekraftwerke abgeschaltet sehen würden, sagen viele "Ja", aber auf die Frage, ob sie bereit sind dafür ihren Stromanbieter zu wechseln, weichen viele aus und versuchen die Politik in die Verantwortung zu ziehen "Wenn das wirklich so schlimm ist, dann sollte die Politik das ja ändern!". Die Frage, ob die Herren- und Damenschaften eine grüne Partei gewählt haben stelle ich aus rhetorischen Gründen nicht.

Bei der Ernährung is(s)t sich auch jeder einzelne einig, dass Massentierhaltung scheiße ist - tatsächlich essen aber weiterhin etwa 80 Millionen Menschen deutschlandweit wöchentlich durchschnittlich etwa 1,3 kg Fleisch- und Fleischprodukte. Alle behaupten aber gleichzeitig, dass sie "nur ab und zwar nur Biofleisch vom Metzger um die Ecke" äßen. De facto stammen aber 98 % der Fleisch- und Fleischprodukte aus der Massentierhaltung - einer Geschäftspraxis, die von allen Menschen missbilligend angesehen aber gleichzeitig stillschweigend bezahlt wird. Jeder will ein guter Mensch sein, aber wenn man Veganer ist, ist man gleich #Gutmensch und wird verpöhnt. "Der Mensch ist halt mit Fehlern behaftet", mag der ein oder andere sagen, aber wie war das doch gleich mit der selbstverschuldeten Unmündigkeit?

Der integrierte Mensch

Nach all der Quengelei und Beschwererei möchte ich aber dennoch auf einem Ton der Erleichterung enden: für mich gibt es ein Idealbild. Das Idealbild wird ironischerweise in vielen Hollywoodfilmen und Anime-Romanzen absolut herzerwärmend verkörpert: der Mensch mit kindlichem Herz und erwachsenem Verstand. Beflügelt von einem unbegründetem Idealismus, erwärmt von einer all-umfassenden und welten-rettenden Liebe, und angetrieben von einem unnachahmlichen Sinn für Gerechtigkeit und Freiheit schützt er sein lebendiges Herz durch wohl dosierten, aus Herausforderungen-erwachsenenen Verstand. Seinen guten Willen für alle Lebewesen, sein Mitleid, sowie seine Mitfreude schützt er durch rationalen Gleichmut (Brahmavihara). Sich beschränkend auf seine Position in der Welt, übernimmt er absolute Verantwortung für sich, seine Taten, seine Gefühle und schließlich seine Gedanken und seine Weltsicht - sowie für alle Menschen, die sich ihm anvertrauen; sich ständig er-innernd, dass seine Verantwortlichkeit ein Geschenk im gegenseitigen Einverständnis ist.

Im Herzen als Kind lebendig, im Verstand als Erwachsener für das Erschaffen seiner eigenen Lebens-Welt verantwortlich. Der integrierte Mensch ist selten... du wirst merken, wenn du so jemanden triffst.